Die Vorbereitung für meine erste WM-Teilnahme startete schon am Montag den 11.06. Mit etwas mehr Unruhe im Bauch begann das Unternehmen eigentlich wie immer. Klamotten für alle Wetterlagen packen. Ernährung zusammenstellen. Diesmal wieder weitgehendste durch Dextro Energy und natürlich meine "Spezial -Müsliriegel" (Rezept Nussecken !!! )abgedeckt.
Noch einmal die Räder checken und neue Schwalbe Reifen aufziehen. Zum Einsatz sollte mein TT von Canyon für den Start und die geringeren flachen Passagen kommen. Für die Berge nahm ich mein Specialized Venge mit den neuen 2T Supreme Felgen mit. Das Colnago CX Evo war für das Finale oder als Alternative gedacht.
Als Support-Gruppe hatte sich das Ehepaar Honold gemeldet sowie mein Neffe Simon. Er hatte als Einziger schon mal so etwas beim Race across Germany mitgemacht. Simon reiste schon am Dienstag Abend an. Wir holten das Begleitfahrzeug noch am gleichen Abend ab, um es schon teilweise zu beladen. Das Ehepaar Honold wollten wir am Mittwoch um 7:30 Uhr an Ihrem Firmenhauptsitz abholen. Wir gingen recht früh ins Bett.
Am nächsten Morgen luden wir, nach einem schnellen Kaffee, die Räder ein und brachen um kurz nach 7 Uhr zu unserer Mission WM auf. In Mühlhausen stieg das Ehepaar Honold zu und Gerald erklärte sich gleich dazu bereit zu fahren. Somit konnte ich völlig entspannt die Fahrt genießen. Es ging über Friedrichshafen, München nach Graz. Unser Ziel erreichten wir kurz nach 15 Uhr bei bestem Wetter. Nach der Registrierung ging es direkt zur Ergometer Challenge. Bei der Challenge musste ich 2 Minuten lang so nah wie möglich an 200 Watt fahren. Dies passierte ohne Wattanzeige. Mit gefahrenen 219 Watt belegte ich in meiner Gruppe den 4 Platz. Anschließend wurden, wie immer, die Räder und das Fahrzeug abgenommen. Hier gab es keine Beanstandung.
Pünktlich um 18 Uhr trafen sich wieder alle Teams (Starter & Betreuer), um das Rennbriefing zu erhalten. Hier wurden nochmal alle Regeln besprochen wie Verkehrsordnung, Nachtzeit, Überholmanöver und natürlich, dass das Windschattenfahren absolut verboten ist. Das Fairness an erster Stelle steht, zeigt einmal wieder wie Langstreckler über Ihre Rennen denken ......
Ein Highlight war der Vortrag von Pierre Bischoff über seinen Sieg beim RAAM 2016. In vielen Dingen bemerkte ich dabei, dass wir Langstrecker schon sehr ähnlich ticken. Ich hatte auch die Chance ein paar Minuten mit ihm zu quatschen. Unser Abendessen nahmen wir mit den anderen Teams im Nova Park Hotel ein. Dabei nutzten wir die Zeit die letzten Sachen zu besprechen, Aufgaben klar zu verteilen und die Renntaktik zu besprechen.
Am nächsten Morgen trafen wir uns um 8 Uhr zum Frühstück. Für mich sollte es das letzte mal für längerer Zeit sein, dass ich feste Nahrung zu mir nahm. Die Stimmung war recht gut, jedoch leicht angespannt. Über Nacht hatte die Rennleitung die Startreihenfolge auf Grund der Ergometer-Challenge versendet. Ich sollte als 8er auf die Strecke geschickt werden. Wir entschieden uns dafür zusammen mit einer größeren Gruppe um Christoph Zurl und Pierre Bischof zum "City radeln" zu fahren. Währenddessen wollte mein Support-Team noch einmal tanken fahren und dann direkt zum Startpunkt am Center West kommen. Pünktlich um 10:30 Uhr ging es dann zum "City radeln", einer kleinen Veranstaltung in der Altstadt von Graz. Dabei ging es vom Schlossplatz durch die Grazer Altstadt bis zum Center West. Hunderte von Hobbyfahrern begleiteten uns zum Start und gleichzeitig wurde der ein oder andere Fahrer vorgestellt.
Pünktlich um 11:38 Uhr gehe ich mit der Startnummer C13 ins Rennen. Aus Graz hinaus ging es bei strahlendem Wetter dem ersten Anstieg , dem Soboth 1347 hm, entgegen. Mit meinem Canyon unter dem Hintern habe ich ein gutes Gefühl und so nutze ich die Zeit, um mich einzurollen.
Kurz vor dem ersten Anstieg wechsele ich, wie geplant, auf mein Venge und trete konstant meine 230 Watt nach oben. Da ich bei den letzten 18%igen Anstiegen schon erste Krämpfe bekomme, beginne ich das erstmal an mir zu zweifeln.
Es läuft gar nicht rund. Mein Team versucht mich zu motivieren während ich wieder aufs Zeitrad steige. Ich versuche sie nicht spüren zu lassen wie schlecht ich mich eigentlich fühle. Ich hoffe, dass ich den nächsten flacheren Teil nutzen kann, um mich zu erholen.
Nach der rasanten Abfahrt setzt uns aber die Hitze zu. Bei Temperaturen von bis zu 32 Grad geht es durch welliges Gelände dem Schaidaggsattel entgegen. Meine Crew bemuttert mich vorbildlich weil wir auch die Trinkmenge massiv erhöhen müssen.
Um den Anstieg besser zu bewältigen, wechsele ich wieder zurück aufs Venge.
Inzwischen läuft es auch etwas besser und ich fasse neuen Mut.
Aber das nächste Tief kommt leider richtig schnell. Hoch zum Schaidasattel 1069 hm finde ich irgendwie nicht meinen Tritt. Der Wattwert ist schlecht und jeder Kilometer ist ein Kampf. Am Gipfel angekommen, beschließen ich auch mit dem Venge direkt abzufahren. Nach der Abfahrt wechsele ich das Rad in der Hoffnung, dass es auf meinem Zeitrad besser läuft.
Doch alles bleibt zäh wie Kaugummi. Ich verändere meine Ziele, ich sage mir "du fährst nur bis Winklern. Das bist du Deinem Team schuldig". So geht es weiter und der Weg nach Winklern ist das neue Ziel. Inzwischen beginnt die 1. Nachtphase ab 20:30 Uhr und ich freue mich das es etwas kühler wird.
Inzwischen läuft es wieder besser. Beim nächsten Radwechsel kurz vor Winklern nehmen ich und mein Team Wetterleuchten in der Ferne wahr. "Jetzt bloß nicht noch ein Unwetter". Doch es kommt wie es kommen muss. 5 km vor der Timestation Winklern setzt der Regen ein mit jede Menge Gegenwind. In sekundenschnelle bin ich pitschnass, aber ich beschließe bis zu Timestation zu fahren.
Dort beschließe ich mit Simon meinen ersten Powernapp vorzuziehen. Als ich mich nach 25 Minuten wieder auf mein Venge setze, fühle ich mich wieder seit längerem richtig gut. Selbst der leichte Regen macht mir nichts. Ich fahre in die Dunkelheit den Iselsberg 1204 hm hinauf. Es läuft gut und die Nacht wird mein Freund. Über den Gailberg 982 hm geht es zum nächsten grösseren Anstieg dem Kartischen Sattel mit 1530 hm. Doch auch hier läuft es rund. Vor allem Dank der 15 minutigen Massage-Pause. Langsam glaube ich wieder fest an mich, vor allem als die Dunkelheit der Morgendämmerung weicht. Auch mein Support-Team ist guter Dinge. Wir erreichen ohne weitere Probleme über die Rückseite des Iselsberg erneut die Timestation Winklern. Dort leiste ich erneut meine Unterschrift und beschließe ohne weitere Pause den Großglockner in Angriff zu nehmen.
Während der Anfahrt nach Heiligblut werde ich vom ersten Ultra Teilnehmer überholt. Es ist Pierre Bischof, wir wechseln ein paar Worte und da ich nicht gedacht habe ihn auf der Strecke zu treffen motiviert das mich zusätzlich. Da ich keine Renninfo haben möchte, gibt mir das jedoch das Gefühl, daß ich nicht schlecht liegen kann. In Heiligblut beginne ich die Rampen und Kehren nach oben zu fahren . Wir haben sogar jede Menge Spaß im Team "stell dich nicht so an" wird zum neuen Schlagwort.
Da ich den Glockner kenne, kann ich mir den Aufstieg gut einteilen und mein Wattmesser zeigt konstant um die 250 also alles im grünen Bereich. In den letzten Kehren zum Hochtor setzt leider Regen ein und nach dem Tunnel schüttet es. Bei nur 5 Grad ist mir saukalt. Trotz Jacke,Regenjacke und dicker Handschuhe kommt keine Freude auf. Das Kopfsteinpflaster auf den letzten Kilometern zur Edelweißspitze ist glitschig. Aber auch diese Auffahrt schaffe ich und wir haben das Dach der Tour erreicht die "Edelweissspitze".2572 Hm
Zuerst beschließe ich die 300 Hm zwischen Edelweißspitze und Hochtor zu überwinden. Dann will ich mich umziehen, um die lange Abfahrt in Angriff zu nehmen. Da es immer noch nieselt ist dieser Teil nicht wirklich spaßig, aber es läuft.
Mit trockenen Klamotten beginne ich die Abfahrt. Im nach hinein ein Glück, dass es noch nieselt. Deswegen bin ich nicht so schnell als mein Vorderrad anfängt aus unerklärlichen Gründen zu flattern und zu kollabieren. Ich versuche über das Hinterrad zu bremsen. Je langsamer ich werde desto schlimmer flattert mein Vorderrad und bricht bei ca 10 km einfach zusammen. Ich überschlage mich. Als ich mich aufrappel ist auch mein Team schon wieder da. Gott sei Dank habe ich mir nicht viel getan, mein Körper schmerzt. Ich untersuche mein Rad und mein Team wechselt das Vorderrad.
Mit mulmigem Gefühl begebe ich mich wieder aufs Rad und fahre um einiges langsamer wie gewohnt. Mit einem schlechtem Gefühl im Magen geht es den Glockner bergab. Gut das wir unten eh eine weitere Schlafpause angesetzt haben.
Nach 20 Minuten Powernapp setze ich mich auf Zeitfahrrad und mein Team informiert mich, dass ich auf dem 4 Platz liege.
Ich beschließe auf Angriff zu fahren.
Bis Winklern läuft es gut. Dort muss ich an der Zeitnahme unterschreiben und weiter geht die Jagd Richtung Windische Höhe. Dafür wechsel ich nochmal aufs Venge. Der Anstieg mit teilweise um 20%, raubt mir die letzten Körner. Ich bin nicht gut drauf, weil der Abstand zu Platz drei wächst. Ich verfluche meine Kurbel "wer fährt schon eine 39 : 30 Übersetzung bei 14500 Hm nur so ein Trotel wie ICH". Da ich im Anstieg überzogen habe, läuft es auch in den flachen Teilen nicht. Ich habe leichte Magenprobleme und leichten Durchfall. Ich hake Platz drei ab, inzwischen habe ich 53 Minuten Rückstand. Ich will nur noch ankommen. "Gott sei Dank" droht keine Gefahr von hinten. Pierre Bischoff überholt mich ein zweites Mal (die Ultras fahren ja den Glockner zweimal, da sie ja nach Fuschl abfahren müssen). Ich versuche mich über meine Motivationsleiste zu motivieren. Ich denke an meine Tochter und an Toni Astelean. An alle die ich nicht enttäuschen will, aber nichts klappt. Kurz danach entscheide ich mich das Zeitfahrrad zu verlassen, da ich die flache Position nicht mehr fahren kann. Der Rücken schmerzt höllisch, vom Sturz oder von sonst etwas, ich weiß es nicht.
Ich beschließe mein Colnago zu fahren. Mein Team ist nicht davon begeistert weil das Rad bestimmt 2 kg schwerer ist. Aber ich glaube daran, wegen der Sitzposition und des hohen Auflegers. Ich klammere mich daran als letzten Hoffnungsschimmer.
Am Anfang ist das Gefühl ungewohnt, aber es beginnt zu laufen. Die Schmerzen werden weniger. Endlich habe ich wieder ein gutes Gefühl auf dem Rad. Die Abtei 710 hm ist nicht so schwierig und es läuft.
Dreißig Kilometer vor dem letzten Anstieg beginnt es wieder richtig gut zu laufen. Inzwischen bricht die zweite Nachtphase an. Meine Teammitglieder glauben ich überziehe völlig, als ich mit einem 32 Schnitt Richtung Soboth 1347 hm unterwegs bin.
Ich lege die neue Marschroute fest und beschließe mit dem schwereren Colnago auch den Soboth zu fahren. Den Soboth hinauf gebe ich alles, ein letzter Angriffsversuch. Simon sagt mir während des Anstieges, dass der Drittplatzierte noch keine Soboth Gipfelzeit gemeldet hat.
Ich fahre wie im Delirium dem Gipfel entgegen. Als ich oben ankomme habe ich nur noch 25 Minuten Rückstand. Ich ziehe schnell eine Jacke über. Glaube fest an mich und fahre direkt ab. Es sind noch 90 km bis ins Ziel. Ich fahre die Abfahrt mit absolutem Risiko. Nach weiteren 25 km in der Ebene taucht ein Begleitfahrzeug auf. Ich denke es ist das Zweier Team, das schon sehr oft um mich rum war. Als ich aber näher komme, erkenne ich die Nummer C10. Es ist mein Konkurrent, um den dritten Platz.
Durch ein fulminantes Überholmannöver, raube ich meinem Konkurrent seinen Glauben an sich. Die Gegenwehr ist kurz. Mein Team ist außer sich vor Freude. Auch ich weiß, ich lasse mir das nicht mehr nehmen :"DENN ICH FAHRE EINFACH MEHR WATT". Der Rest ist schnell erzählt. Die letzten 40 km sind eine Triumph-Fahrt für mich. Ich erreiche das Ziel in 39 Stunden und 20 Minuten. Wir liegen uns in den Armen und feiern unseren 3 Platz.
Erst eine Stunde später beschließen wir ins Hotel zu fahren. Selbst die Zimmer haben wir für so eine frühe Ankunft nicht reserviert, aber wir bekommen trotz allem einen Platz zum Ausruhen. Den Rest des Samstages nutzen wir um uns teilweise zu erholen.
Die Siegesfeier findet Abends um 20 Uhr in einem schönen Rahmen statt. Dort kann man sich auch mit anderen Teilnehmern austauschen. Ein sehr schöner Abschluss. Mein "Dank" geht definitiv wieder an mein SUPERTEAM, bestehend aus dem Ehepaar Honold und Simon Hanle. Sie haben mich unendlich unterstützt. Dank auch an alle Organisatoren des Glocknerman. An Alle, die mich unterstützen und während dieser Tage an mich gedacht haben. Die Heimreise verläuft ohne größere Probleme. Aber um den Event zu verarbeiten brauche ich sicherlich eine Weile.